Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte
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Professionalisierungsforschung in der Lehrkräftebildung
Kaum ein anderes universitäres Fach hat es mit Studierenden zu tun, welche in einem derart hohen Maß ihr künftiges Berufsfeld aus der eigenen Biografie kennen, wie es in der Lehrkräftebildung der Fall ist. Zum Einen ließe sich aus diesem kollektiven Erfahrungsraum wohl das gesamte Spektrum erziehungswissenschaftlicher Themenstellungen ableiten, zum Anderen ist es auch Anlass für vorurteilsbehaftete Annahmen und Einschätzugen dem Berufsfeld gegenüber. In jedem Fall sollten aus diesem Sachverhalt heraus in der Lehrkräftebildung lernbiografisch relevante Erfahrungen berücksichtigt werden, die Buri (2013) als "subjektive Schaltstellen der persönlichen Wahrnehmungsorganisation" bezeichnete. Das heißt: Berufswahlmotive, Einstellungen und Erwartungen zu Studium und dem Lehrberuf sind mit hoher Wahrscheinlichkeit mit biografischen Lern- und Bildungsgeschichten verwoben, die lange vor Beginn des Studiums liegen. Wenn dieser Erfahrungsraum nicht einfach dem "Hidden Curriculum" überantwortet werden soll, muss er explizit in der Lehrkräftebildung aufgedeckt werden und Berücksichtigung finden.
Aus diesem Grund wurde am Lehrstuhl ein Professionalisierungskonzept entwickelt, das in einem ersten Schritt aus der Beziehung zwischen Theorie und Praxis pädagogischen Handelns im "Profigrafie-Modell" ein neues Differenzverhältnis herzustellen versucht: Es wird dabei eine Relationierung von wissenschaftlicher Lehrkräftebildung und schulischer Praxis durch die bedeutende Funktion fundierter Reflexionskompetenz verknüpft.
zu den Forschungsprojekten: https://www.phil.uni-passau.de/erziehungswissenschaft-diversitaet-bildungsraum/forschung/diversitaets-und-begabungsforschung
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Diversitäts- und Begabungsforschung
Beim Forschungs- und Handlungsgegenstand Diversität geht es zunächst darum, die Vielfältigkeit des menschlichen Zusammenlebens, gesellschaftlicher Normen und Regeln und individueller Überzeugungen zunächst einmal als gesellschaftliche Realität wahrzunehmen. Auf der Ebene der Lehrkräftebildung stellt sich die Herausforderung, wie es gelingen kann, starre ausgrenzende Mechanismen in Systemen zu erkennen und Bildungsmöglichkeiten zu erweitern, denn die Chancenverteilung innerhalb exkludierender Gesellschaften scheinen perpetuierend zu sein ( vgl. Allman, 2013).
Ein Teilbereich dieser Diversität betrifft die Vielfalt menschlicher Begabungen. Dabei liegt der Fokus einer pädagogisch argumentierten Begabungsförderung weniger auf der Betonung bestimmter Fördermaßnahmen für besondere Gruppen (z.B. Hochleister in der „Begabtenförderung“) als vielmehr in der Suche nach Antworten, wie Kinder und Jugendliche lernen können, mit ihren diversiven Stärken (aber auch Schwächen) ihr Leben selbstbestimmt zu leben und sich damit sinnvoll für die Gesellschaft einzubringen. Die Gesellschaft steht wiederum vor der Aufgabe, mit dieser Diversität sinnvoll umzugehen, um sich damit weiter entwickeln zu können.
Hansen bezeichnet diese pädagogische Perspektive „Begabungsgestaltung“ und betrachtet Bildungsvoraussetzungen unter ihren kollektiven Rahmenbedingungen, damit Menschen ihre Begabungen in den (jeweiligen) kollektiven Gruppen gestaltend einbringen können (vgl. Hansen 2012, 51f)
Die Reflexion dieser beiden Spannungsfelder (Diversität und Begabung), die es situationsangemessen zu bearbeiten gilt, gehört zu den zentralen Kennzeichen professionellen Handelns im Lehrberuf ( vgl. Ilien, 2009). Am Lehrstuhl versuchen wir das Potenzial des Capability Ansatzes ( Sen/ Nussbaum) für diese Fragen zu nutzen.
zu den Forschungsprojekten: https://www.sobi.uni-passau.de/erziehungswissenschaft-diversitaet-bildungsraum/forschung/diversitaets-und-begabungsforschung
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Multikollektivität, Bildung und Raum
Welche „Bilder“ vom Raum haben (angehende) Lehrkräfte und in welcher Hinsicht beeinflusst sie dies in ihrem professionellen Handeln im Kontext Schule (vgl. u. a. Matthes 2016)? Inwiefern sind Exklusion und Benachteiligung in Bildungsprozessen auch räumlich determiniert (vgl. u. a. Echazarra & Radinger 2019; Soja 2010; Harvey 1992)? Und kann Lernarchitektur eine Brückenfunktion einnehmen, um die „Grammatik der Schule“ (Tyack & Tobin 1994) entlang der Herausforderungen einer Wissens- und Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts weiterzuentwickeln? Gesellschaftliche Transformationsprozesse und ihre veränderten Anforderungen an Schule (vgl. OECD 2022) betreffen auch räumliche Neuordnungen, wie unter anderem die Ausdifferenzierung virtueller Räume, die Zunahme von Nicht-Orten (vgl. Augé 1994) oder die Verinselung urbaner Lebensbereiche deutlich machen. Vor dem Hintergrund einer Re-Figuration des (Bildungs)Raums (vgl. Löw & Knoblauch 2019) stehen räumliche Neuordnungen in einem konfliktreichen Spannungsverhältnis zu schulräumlichen Deutungs- und Nutzungsgewohnheiten praktizierender Lehrkräfte. Aus den wenigen vorhandenen Studien zum Thema lässt sich ableiten, dass Lehrkräfte nach wie vor weitgehend mit einem deterministischen Raumverständnis arbeiten (vgl. Deinet 2007). Damit Raum zum Medium des Wandels werden kann, muss dieser überhaupt erst einmal als pädagogische Kategorie greifbar werden - nach wie vor stellt dies allerdings ein Desiderat in Bildungsforschung und pädagogischer Praxis dar (vgl. Bentlin & Klepp 2021, Sesink 2014).
Im Rahmen einer bildungs- bzw. berufsbiografischen Raumforschung und ausgehend von einem relationalen Raumverständnis beschäftigen Wissenschaftler*innen des Lehrstuhls sich im Forschungsschwerpunkt „Multikollektivität, Bildung und Raum“ unter anderem mit dem Transformationspotential von Bildungsräumen, den entsprechenden Rollen vielfältiger Akteur*innen und Möglichkeiten der Anbahnung emanzipatorischer räumlicher Praktiken in Bildungskontexten.
zu den Forschungsprojekten: https://www.sobi.uni-passau.de/erziehungswissenschaft-diversitaet-bildungsraum/forschung/bildung-und-raum
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Internationalisierung der Lehrkräftebildung
machen eine stringente Internationalisierung der Hochschulen unabdingbar (vgl. Massen et al. 2023), die neben physischer Mobilität u. a. auch die Internationalisierung der Curricula oder die Etablierung einer internationalen Campus-Kultur adressiert.
Diese Internationalisierung geht angesichts unterdurchschnittlicher Mobilitätsquoten an der Kohorte der Lehramtsstudierenden offenbar weitgehend vorbei (vgl. HRK, 2015; Kercher & Schifferings 2019, S. 239-249; Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 2015, S. 54-55).
Mögliche Ursachen:
- unzuverlässige Anrechnungspraxis
- mangelnde curriculare Verankerung
- wenige bis keine Mobilitätsfenster
- Charakteristika des Lehrkräfte-Arbeitsmarkts
Dabei könnte insbesondere die Lehrkräftebildung Internationalisierung nutzbar machen, um jene professionsbezogenen Kompetenzen und eine globale Handlungsfähigkeit zu vermitteln, die das berufliche Handlungsfeld von Lehrkräften im 21. Jahrhundert erforderlich machen. Internationale Erfahrungen im Kontext der Professionalisierung von Lehrkräften setzen nicht nur voraus, dass Studierende den Lehrberuf bereits als akademische Profession wahrnehmen, sondern bergen bezüglich der Anbahnung einer pädagogischen Professionalisierung explizite Chancen - beispielsweise hinsichtlich der Entwicklung „transformativer Kompetenz“ (Mezirow, 1997) und der dafür erforderlichen Reflexionsräume (weiter Informationen hierzu: Profigrafiemodell nach Hansen 2017).
Die diversitätssensible, inklusive Eröffnung eben dieser Reflexionsräume steht im Kern der Internationalisierungsstrategie der Lehrkräftebildung an der Universität Passau. Dabei setzen wir an den erwähnten Desideraten an und nutzen die zur Verfügung stehenden Mobilitätsfenster und curricularen Anbindungsmöglichkeiten insbesondere für fachlich eng begleitete Gruppenangebote sowie für die Implementierung vielseitiger internationaler Erfahrungen am Passauer Campus. Bei Information und Beratung setzen wir verstärkt auf den Peer-to-Peer-Austausch zwischen Absolvent*innen und Interessierten.
zu den Forschungsprojekten: https://www.sobi.uni-passau.de/erziehungswissenschaft-diversitaet-bildungsraum/internationalisierung-1
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Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Lehrkräftebildung
Im Mittelpunkt des bilateralen, vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderten Forschungsprojekts stand die Entwicklung von Modulen aus dem Bereich nachhaltiger Umweltbildung, die für den Einsatz an chinesischen Grundschulen konzipiert wurden, sowie die Ausbildung von Multiplikator*innen, die die Schulentwicklungsprozesse entsprechend unterstützten.
In der zwischen 2015 und 2017 angelegten Laufzeit waren Expert*innen der Lehrer*innen-Fortbildungszentren (LFZ) der Stadt Shanghai und der Provinz Zhejiang, Fachwissenschaftler*innen der East China Normal University und der Zhejiang International Studies University (ZISU) sowie Lehrkräfte aus 20 ausgewählten Pilotschulen aus beiden Provinzen an der Entwicklung beteiligt. Eine Steuergruppe der Universität Passau gewährleistete die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation des Prozesses, der von der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) organisatorisch unterstützt wurde.
An diese erste Entwicklungsphase schließen sich in einem Follow-Up aktuell Vorarbeiten für einen Transfer in die Provinz Yunnan an.
zu den Forschungsprojekten: https://www.sobi.uni-passau.de/erziehungswissenschaft-diversitaet-bildungsraum/forschung/internationalisierung